Pamela Luckau: lesen

Neulich in der Familie ...

Familienzusammenkunft

Geschafft! Feiertage (fast) vorbei und was auch immer Du Dir gedacht hattest, wie es wohl dieses Mal wird, im Kreise der Lieben, es ist jetzt wieder vorbei! Wie war es denn so? Das übliche? Oder ganz anders als sonst? Hier kommt wahlweise eine Auflösung, warum passiert ist, was passiert ist oder eine wirksame Bewältigungsstrategie: In drei Schritten zur Goldmedaille!

Dieser Tage ergibt sich für mich ein bizarres Bild: Öffentlich-medial diskutieren wir über Gefahrenabwehr, bei Facebook gibt es geschmückte Tannenbäume und opulente Plätzchenteller zu bewundern (logisch: alle selbst gebacken!) und nach Einbruch der Dämmerung lässt sich beim Spazierengehen in den erleuchteten Stuben ob der Körpersprache dann doch erahnen, dass die gemeinsamen Zeit mit den Lieben vor allem eines ist: eine ganz wunderbare Arena! Wer jetzt sofort an Streit denkt: ERWISCHT! Eine Arena – alle sind versammelt, haben Zeit mitgebracht, die Arbeit ruht, wir äußern uns lautstark – ist auch Ort der geteilten Aufmerksamkeit: Was ist dieses Jahr bei jedem und jeder passiert, was steht an im neuen Jahr, wo drückt der Schuh, womit sind wir zufrieden? Aber klar: Arena meint auch, dass da unten in den Katakomben die wilden Tiere nur darauf lauern, ihrer Ketten entledigt zu werden und zu stürmen auf alles, was sich bewegt, potentielle Verluste schlicht ignorierend. Kommt Ihnen das (auch) bekannt vor? Fassen wir mal den Kontext zusammen: Das Jahr steckt uns schon im Herz und in den Knochen, draußen ist es eher dunkel als hell, die Natur ruht, Aktivitäten im Freien sind ob der Witterung reduziert also ab nach drinnen, wo unsere Lieben in wechselnd großer Anzahl versammelt sind. Wir bringen in diese Arena nicht nur uns selbst, sondern auch all das mit, was seit der letzten Zusammenkunft gut und eben auch schlecht gelaufen ist. Alte Wunden, enttäuschte Erwartungen, Sehnsüchte und (Achtung!) das Ausmaß unseres Unvermögen, selbst gut für uns sorgen zu können: All das sitzt mit unterm Baum und das alle Jahre wieder! Was also tun?

Vermeiden!

Alles absagen, daheim Schotten abdichten und stur gute Filme schauen! Ätsch! Den Angehörigen haben wir es gezeigt, aber so richtig! Nicht mit uns!

Kämpfen!

Los, sagen Sie Ihren Leuten, wie unangebracht sie sich verhalten, kommentieren Sie Gepflogenheiten zu Tisch, bewerten Sie Lebensentwürfe und sorgen Sie dafür, dass jede und jeder Anwesende Ihre Meinung kennt! Verbünden Sie sich mit Angeheirateten oder sonst wie nicht zur Kernfamilie Gehörenden und die Schlacht am Baum wird garantiert von Ihnen angeführt! Wenn schon Gemetzel, dann doch gleich mit Attacke! Schreiten Sie mutig voran!

Augen zu!

Ihnen kommt bekannt vor, was bei Strategie 1 und 2 los ist? Sie wollen das aber nicht? Gut, dann empfehle ich Ihnen so zu tun, als ob alle in perfekter Harmonie, umfangen von ganz viel weißem Licht und Liebe um Sie sind! Tun Sie halt einfach so! Sie schaffen das bestimmt bis Neujahr! Denken Sie an die Leute bei QVC, ziehen Sie sich nicht nur mental eine gut gestärkte weiße Bluse oder ein Hemd an und geben Sie dann Ihr Bestes am Herd und im Gespräch. Wenn Sie nur fest genug dran glauben, dass doch aber Weihnachten ist und das doch aber das Fest der (heiligen) Familie sei, dann schaffen Sie diese Strategie… so lange, bis sich Ihre Raubtiere unten in den Katakomben von den Ketten losreißen. Dann aber garantiere ich verhaltensseitig für nichts mehr!

Sie dürfen sich jetzt fragen, ob noch eine Pointe kommt? Es muss doch irgendwie gehen! Unsere Spezies fliegt zum Mond, wir klonen Schafe und können bald den Krebs besiegen. Wie also können Familienzusammenkünfte schöne und liebe Erinnerungen erzeugen?

Schritt 1: Das Bronze-Level

Schreiben Sie eine Liste für sich selbst, was Sie alles nervt und was sie freut! Worüber Sie sich ärgern, was Sie wütend macht und wovor Sie Angst haben! Arbeiten Sie gründlich, in Schriftform um es verbindlich zu halten und lassen Sie keinen Lebensbereich aus!

Schritt 2: Steigen Sie auf zu Silber!

Wählen Sie aus Ihrer Liste die Punkte oder wilden Stiere, die den größten emotionalen Effekt auf Sie haben und kommunizieren Sie diese dem Partner, den Eltern, den Kindern oder Freunden! Sprechen Sie es einfach aus. Zum Beispiel: Wenn Du kommentierst, was und wie viel ich esse, dann merke ich, dass ich mich sehr ärgere und wütend werde. Jetzt ist es raus, damit trennen Sie ein Ereignis im Außen (den Kommentar) von ihrer eigenen gefühlsmäßigen Reaktion (der Wut). Möglicherweise denken Sie jetzt, dass das zur Folge hat dass Ihr Essverhalten nicht mehr kommentiert wird. Oh! Dieses Missverständnis müssen wir sofort ausräumen: Die anderen verhalten sich voraussichtlich noch exakt genauso! Aber Sie, Sie haben jetzt eine Sekunde gewonnen, eine Sekunde in der Sie entscheiden können, ob Sie der Kommentar jetzt wirklich trifft und genau darum geht es! Freiheit!

Schritt 3: Die Goldmedaille!

Lassen Sie alle Erwartungen fallen! Ich weiß, wir fiebern ab August dem großen Fest entgegen, freuen uns auf die freie Zeit (die dann oft keine ist), kaufen die leckersten Dinge ein. Der Clou im Umgang mit komplexen familiären und sozialen Verstrickungen ist nun im dritten Schritt, alle! Erwartungen an sich selbst und andere Menschen fallen zu lassen! Lassen Sie die Menschen in Ihrer Umgebung doch einfach in Ruhe! Nehmen Sie es, wie es eben kommt und sich darstellt nur lassen Sie die Bewertung weg! Ist so! Ist eben so! ES IST EBEN SO! Wenn Sie sich selbst im Auge behalten, achtsam Ihre Atmung verfolgen und sich ansonsten dem Geschehen annehmend widmen, dann kann Ihnen nichts mehr passieren, was Sie nicht selbst steuern.

Auf meinen offenen Seminaren erlebe ich immer wieder diesen beinahe magischen Moment, wenn wir uns – vielleicht erst nur sekundenlang – den Gedanken gestatten, dass diese drei Schritte wirklich funktionieren, dass es uns damit besser geht! Das wir tapfer an unseren eigenen Raubtieren arbeiten, die Katakomben in Abständen gründlich kärchern und uns ansonsten sonnen, oben in der Arena.

 

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